Nadja Shedadeh ist Soziologin, Kolumnistin und Bloggerin. Sie schreibt schon seit einigen Jahren (u. a.) zu den Themen Rassismus und Feminismus. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie eine schmissig-fundierte Streitschrift auf den Buchmarkt geworfen. Aber sie wollte nicht. Wenn das knallpinke Ding also keine Kriegserklärung ist – was ist es dann?
Es ist eine Anekdotensammlung, gespeist aus dem Leben der Autorin, pro Kapitel mit ein bis zwei Argumenten gespickt, gruppiert um den Begriff des „Girlbosses“. Girlbosse sind zwar schon längst wieder out, bieten aber immer noch einen guten Aufhänger für eine launige Einführung in den Antikapitalismus und Feminismus. Shedadeh widmet das Buch den Angestellten, Arbeiterinnen, den bloß pragmatisch Ambitionierten – kurzum: den Anti-Girlbossen. Die Autorin kennt ihre Zielgruppe, sie weiß, welchen Stil und Ton sie braucht, und sie liefert. Deshalb erstaunt es mich, dass die Autorin nicht auch für Verkäuferinnen oder Erzieherinnen Stimmen eingebracht hat, die näher an ihrer Lebenswelt sind. Kontakte und Geschichten dafür hätte sie sicherlich in der Rückhand gehabt.
Dem einführenden Charakter geschuldet sind die Argumente und Perspektiven etwas gemeinplatzig – trotzdem hat der ein oder andere Punkt nicht zu mir gesprochen, sondern gesungen:
- Die patriarchale Erziehung von Mädchen führt dazu, dass viele Frauen zwanghaft jede Erwartung erfüllen (wollen), die an sie gestellt wird.
- Frauen sollten wirklich aufhören, sich gegenseitig ins Knie zu schießen, um sich vermeintliche Vorteile beim Wettbewerb um „Versorger“ und/oder Karriere zu sichern.
- Frauen werden früh auf Lebensbereiche und Vergnügungen hin geprägt, für die sie anschließend verurteilt und verlacht werden.
Ich stamme aus einem Umfeld, in dem Geringschätzung des „Weiblichen“ gang und gäbe war. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mir diese Haltung in manchen Punkten (unbewusst) zu eigen gemacht habe – als Frau! Bücher wie „Anti-Girlboss“ sind zwar nicht hochgeistig, aber ein dringend nötiger, freundlicher, vielen zugänglicher Reminder, dass Frauen einen warmherzigeren Blick für sich und „die Schwesternschaft“ entwickeln sollten.
Von zwei Punkten möchte ich mich aber distanzieren:
- Nicht jede von Frau angestrebte Führungsposition ist ein Fall von egozentrischem Girlbossism! Zwischen dem einfachen Angestelltenverhältnis und dem quotenfreundlich bewilligten Vorstandsposten gibt es eine Menge Gestaltungsspielraum – der durchaus von Frauen für Frauen genutzt wird!
- Der Traumjob ist nicht nur ein Mythos, um „ungeliebte Zwischenstände“ auszuhalten. Der Traumjob kann auch dazu motivieren, sich in eine Richtung zu bewegen, in der sich das Leben besser leben lässt.
Feministin und Antikapitalistin – und was nun?
Frauen, die neu im Thema sind und Widerstände und Debatten bewältigen müssen, um ihren Lebenswandel zu ihren Gunsten zu ändern, haben nach der Lektüre von „Anti-Girlboss“ zwei Möglichkeiten:
- Weiterlesen und Argumente sammeln. Wissen ist Macht.
- Gusseiserne Bratpfanne auf Nasenbein.
Variante 2.) ist unter Umständen befriedigender, Variante 1.) immerhin straffrei. Hierzulande.
Und was ist mit Leserinnen, die schon den großen Zeh in den Feminismus getaucht haben? Die bekommen ein „virtuelles“ Treffen mit einer „guten alten Freundin“. Ich empfehle dazu ein süßes Weißweinschörlchen oder einen lieblichen Rotwein. Es gibt einiges Kopfnicken und „Ja, Schwester!“-Momente – tiefergehende Einsichten sollte man nicht erwarten. Manchmal möchte man sich einfach den Kopf tätscheln lassen – von ihresgleichen, wohlgemerkt. Nicht vom lokalen Patriarchen.
Wofür die Autorin mehr noch als fürs revolutionäre Faulenzen wirbt, ist die Wertschätzung der eigenen Vorlieben, Wünsche und Grenzen – ungeachtet der Anforderungen, die das männerdominierte, kapitalistische System an Frauen heranträgt. In dieser Lesart ist das Buch deutlich inklusiver – denn Chillen wider das Patriarchat ist beispielsweise für die (alleinerziehende) Mutter kaum machbar. Kleine Freiräume erkennen, erschließen und für sich nutzbar machen, schon.
In diesem Sinne: „Let’s be the [occasional] nap, we want to see in this world.“
Übrigens: Im Lektorat von Ullstein sitzen möglicherweise auch Anti-Girlbosse, die auf den Seiten 208–210 zwei Versionen des gleichen Absatzes durchgewunken haben. Vive la revolution, Schwestern [oder Brüder?]!
